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Demokratie und Aktion

Kritische Worte beim DGB-Neujahrsempfang 2018 in Pforzheim

Bild: Martin Kunzmann, DGB-Landesvorsitzender von Baden-Württemberg

Martin Kunzmann, DGB-Landesvorsitzender von Baden-Württemberg

Der Saal im Reuchlinhaus in Pforzheim war gut gefüllt.

Die Begrüßung erfolgte durch den ehranmatlichen DGB-Vorsitzenden Wolf-Dietrich Glaser, der sich freute, so viele Repräsentantinnen und Repräsentanten aus unterschiedlichen Parteien, Organisationen und vielen Bereichen unserer Gesellschaft begrüßen zu dürfen.
Er sagte u.a. weiter:
Für uns Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter bedeutet das auch Anerkennung für unsere Arbeit und ist ein Beweis dafür, daß der DGB und seine Einzelgewerkschaften in unserer Gesellschaft akzeptiert und verankert sind und wir uns durch unsere Arbeit ein hohes Maß an Respekt und Anerkennung erworben haben.
Gewerkschaftsmitglieder, gewerkschaftlichen Vertrauensleute, Betriebs- und Personalräte und die bei den Gewerkschaften angestellten Kolleginnen und Kollegen, die mit ihrer Arbeit dafür gesorgt haben, die aus freien Stücken und aus Überzeugung im DGB und seinen acht Einzelgewerkschaften organisierten Menschen arbeiten in einem demokratischen Prozess an ihrem großen Ziel, dieses Land für alle Menschen, egal welcher Herkunft, welcher Religion oder Hautfarbe, sozialer, gerechter und lebenswerter zu machen.
Und zwar nicht nur für Gewerkschaftsmitglieder, sondern für alle Menschen, die hier leben und evtl. noch nicht Mitglied in einer DGB-Gewerkschaft sind. Was nicht ist, kann ja noch werden.
Um an diesem Ziel auch in Zukunft effizient zu arbeiten und ihm immer näher zu kommen, ist es hilfreich und wichtig, daß wir Freunde und Verbündete haben.
Besonders wichtig ist es uns, auch mit Menschen und Organisationen, die nicht immer unserer Meinung sind, zu diskutieren und um den richtigen Weg zu streiten. Weiterhin wurde der Oberbürgermeister der Stadt Pforzheim, Herrn Peter Boch und die Bürgermeisterin für Kultur, Stadtentwicklung,, die noch nicht da war.
Ich freue mich, daß ich viele geschäftsführende Mitglieder von Parteien, sowie Stadt- und Gemeinderätinnen aus Pforzheim und dem Enzkreis von der SPD, den Grünen, der CDU, den Linken und der CDA begrüßen darf.
Aus dem Landtag in Stuttgart sind heute die Abgeordneten Dr. Erik Schweickert von der FDP und Frau Stefanie Seemann von den Grünen unter uns. Herr Dr. Schweickert, liebe Stefanie, herzlich willkommen. Auch verschiedene Vertreter aus Politik, Sozialverbänden und Wirtschaft wurden begrüsst.
.Ich hoffe, ich habe niemand vergessen - falls doch, bitte ich um Gnade und Verzeihung.
Seid uns alle herzlich willkommen, schön daß Sie hier sind.
Hier auf der Bühne und draußen im Foyer haben wir eine Bilderausstellung organisiert und ich freue mich, daß ich auch den dazugehörigen Künstler begrüßen kann.
Er heißt Osumanu Batture und mehr will ich nicht zu ihm sagen, das übernehmen später meine Kollegin Susanne Nittel und mein Kollege Franz Herkens, ohne die diese Veranstaltung nicht in diesem Rahmen stattfinden würde.
Osumanu, schön, daß Du uns heute Deine Bilder zeigst, es ist uns eine Ehre. Osumanu , so eine Vorstellung später, lebt als unbegleiteter Flüchtling in Keltern und ist akut von Abschiebung bedroht, trotz einer Option, hier eine Ausbildung in dem Mangelberuf Altenpflege beginnen zukönnen.
Der DGB-Kreisverband Pforzheim/Enzkreis startet unter dem Motto
"Mitbestimmen - Demokratie stärken"
ins Jahr 2018.
Von März bis Mai finden in den Betrieben und Verwaltungen die Betriebs- und Personalratswahlen statt und es ist leider eine Tatsache, daß diese Wahlen auch im 21. Jahrhundert immer noch in viel zu vielen Betrieben behindert und die Initiatoren, die oft um ihren Job fürchten müssen, eingeschüchtert werden,
Kolleginnen und Kollegen.
Auch in Pforzheim und dem Enzkreis - das ist ein Skandal.
Wir fordern auch 2018 weiterhin einen Kurswechsel in der Rentenpolitik.
Wir sind auch weiterhin der Meinung:
Die Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre und die Absenkung des Rentenniveaus ist ein fataler Irrtum.
Auch die kommunale Finanznot wird uns 2018 weiter beschäftigen.
Die Kommunen sind für fast zwei Drittel der öffentlichen Investitionen verantwortlich.
Wenn den Kommunen das Geld ausgeht, verschlechtern sich die Lebensbedingungen der Menschen unmittelbar.
Starke Kommunen sind dagegen das Fundament für ein funktionierendes Gemeinwesen und stärken die Demokratie. Laßt mich noch zwei Sätze zur aktuellen Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie sagen:
Es geht mir nicht um die Lohnforderung der IG Metall in Höhe von 6 %, obwohl ich auch das für gerechtfertigt halte, um die Beschäftigten gerecht an der guten wirtschaftlichen Entwicklung zu beteiligen.
Es geht mir um die soziale Komponente der Forderung, die es in sich hat, wegweisende Standards zu setzen, wie sie für eine moderne Gesellschaft längst überfällig sind.
Ich meine die Möglichkeit für die Beschäftigten ihre Arbeitszeit für eine bestimmte Zeit abzusenken, um bedürftige Angehörige zu pflegen, oder sich der Erziehung ihrer Kinder zu widmen.

 



-

Rede von Martin Kunzmann, DGB-Landesvorsitzender von Baden-Württemberg


Liebe KollegInnen,
sehr geehrte Damen und Herren,

wo ist nur die Zeit geblieben?

Schon wieder stehen wir am Anfang eines neuen Jahres.

Dafür wünsche ich Euch/Ihnen und Euren Familien alles nur erdenklich Gute.

Der Beginn eines neuen Jahres ist immer eine gute Gelegenheit, Begonnenes fortzusetzen und Neues anzugehen.

Das gilt nicht nur im privaten Bereich. Das gilt auch für die Politik.

2018 wird - darin sind wir uns sicher einig - viele Herausforderungen mit sich bringen.

Viele Themen, die schon 2017 diskutiert worden sind, haben nichts an Aktualität verloren.

Zunächst die gute Nachricht.
Die wirtschaftliche Entwicklung ist positiv. Auch für 2018 wird für BaWü ein Wirtschaftswachstum von 2,25 Prozent vorhergesagt.

Das ist sehr erfreulich.

Es zeigt, dass die Beschäftigten in den Firmen, Verwaltungen, im öffentlichen Dienst und im Gesundheitswesen einen tollen Job machen.

Doch es gibt auch eine schlechte Nachricht:

Nicht alle Beschäftigten partizipieren an diesem Erfolg - obwohl sie daran beteiligt sind.

Die großen Gewinner sind - man möchte fast sagen, wie immer - die Manager mit ihren hohen Boni und den hervorragenden Altersversorgungen.

Im Gegensatz dazu hat sich an der Situation vieler Beschäftigter nichts verbessert. Sie hat sich eher verschlechtert.

Das gilt vor allem für die ArbeitnehmerInnen, die in dem wachsenden Niedriglohnsektor feststecken.

Die atypischen Arbeitsverhältnisse und prekären Beschäftigungen sind in den vergangenen Jahren rasant angestiegen.

Hier nur einige Zahlen:

Teilzeit, Minijobs, Leiharbeit, Werkverträge und Soloselbstständigkeit sind heute für knapp
40 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer an der Tagesordnung.

Bundesweit sind es über sieben Millionen NiedriglohnempfängerInnen.

Etwa 1,8 Millionen Beschäftigte bekommen keinen Mindestlohn.

Viele Menschen brauchen zwei oder drei Jobs, um die Familie ernähren zu können.
130.000 Menschen arbeiten in BW in Leiharbeit. Das sind fast 100.000 mehr als vor 13 Jahren.
Ihre Entgelte sind gegenüber den Stammbelegschaften bis zu 50 Prozent niedriger.

Diese Zustände haben nichts mit einer modernen Gesellschaft zu tun.

Die Feierlaune der Aktionäre muss sich endlich auch im Geldbeutel der Beschäftigten niederschlagen.

Wir müssen weg von Minijobs, unfreiwilliger Teilzeit und unsicherer Soloselbstständigkeit, in der die Menschen morgen nicht wissen, ob sie noch beschäftigt sein werden.

Sonst wird die Schere zwischen arm und reich immer noch größer.

Schon heute sind die Einkommen so ungleich verteilt wie vor 100 Jahren.

40 Prozent des Gesamteinkommens in Deutschland entfallen, auf 10 Prozent der Bevölkerung.

Dagegen kommt die einkommensärmere Seite gerade einmal auf 17 Prozent des Gesamteinkommens.

Wer mehr soziale Gerechtigkeit in Deutschland will, muss diese Ungleichheit
stoppen.

Das geht mit ganz einfachen Mitteln:

Einführung der Vermögenssteuer,

deutliche Anhebung des Grundfreibetrags,

Erhöhung des Spitzensteuersatzes,

Umwandlung des Solidaritätszuschlags in einen Infrastrukturfonds, mit dem Investitionen nicht nur im Osten, sondern auch im Westen getätigt werden können.
Dadurch würden in den kommenden Jahren jährlich rund 20 Milliarden zur Verfügung stehen.

Es gibt aber noch einen anderen gewichtigen Grund, warum wir für die Beibehaltung des Solis sind.

Er ist eine der gerechtesten Steuern, weil Geringverdiener nichts und die reichsten zehn Prozent der Deutschen den höchsten Anteil zahlen.

Würde man den Soli jetzt schon abschaffen, käme das ausschließlich denen zugute, die sowieso schon genug haben.

Und natürlich wird es höchste Zeit, dass Steuerschlupflöcher gestopft werden Stichwort: Panama-Paradise-Paper.

Cum-Ex-Geschäfte. Haben Banken, Aktienhändler und Anleger über Jahre hinweg Steuern erstatten lassen, die sie nie bezahlt haben. Hier wurden Gewinne auf Kosten der Steuerkassen gemacht.
Laut Panorama soll es um über 31 Mrd. gehen.

Es zeigt einmal mehr, die Asozialen kommen heute im feinen Zwirn daher.

Es geht doch nicht an, dass man die Vorzüge unseres Staates wie Krankenhäuser, Kitas, Schulen gern in Anspruch nimmt.
Zugleich aber nicht bereit ist, seine Steuern in dem Staat zu zahlen, der diesen Service bereithält.

Das ist schlichtweg unsolidarisch.

Erschreckend ist für mich aber auch, wenn Wolfgang Schäuble, damals noch Finanzminister, in einem Interview sagt:

Mit den Steuerschlupflöchern sei es wie mit einer mehrköpfigen Hydra.

Wenn man einen Kopf abschlage, wüchsen mehrere nach.

Dies ist eine Bankrotterklärung des Staates.

Liebe KollegInnen, sehr geehrte Gäste,

eine weitere Schere auf dem Arbeitsmarkt entsteht durch die sinkende Tarifbindung.

In Betrieben ohne Tarifbindung liegen die Entgelte 20 Prozent unter dem Schnitt.

Damit muss Schluss sein. Schluss mit dem Lohndumping. Der Tarifvertrag muss das Maß sein.

Wir alle müssen dafür kämpfen, dass die Tarifbindung gestärkt wird.

Kanzlerin Merkel hat auf dem Gewerkschaftstag der IG BCE ein hohes Lied auf den Flächentarif gesungen.

Jetzt müssen endlich einmal Taten folgen. Sonntagsreden wurden schon genug gehalten.

Und an die Adresse der Kommunalpolitiker: Öffentliche Auftragsvergabe darf nur an tarifgebundene Unternehmen erfolgen.

Das muss auch im Interesse des Handwerks sein.

Es muss Schluss sein mit dem Privatisierungswahn. Die öffentliche Daseinsvorsorge muss in den Händen der staatlichen Institutionen bleiben.

Gerade die exzessive Privatisierung staatlicher Unternehmen ist eine der Ursachen für die Ungleichheit in unserer Gesellschaft.
Durch den Rückgang staatlichen Vermögens verringern sich die Handlungsoptionen des Staates.

Er hat keinen Spielraum, der Ungleichheit entgegen zu wirken - reiches Land, armer Staat.

Privatisierung wird immer auf dem Rücken der Menschen - der Beschäftigten, der BürgerInnen ausgetragen.

Einige Beispiele!

Beispiel Klinikbereich:
Gesundheitsvorsorge funktioniert nicht auf der Basis der Gewinnmaximierung.

Eine gesetzliche Personalbemessungsvorgabe ist aus unserer Sicht unverzichtbar.
Genau um solch verbindliche Vorgaben kämpft die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi in ihrer aktuellen Tarifrunde.

Und damit ganz klar ist, worum es geht - es geht um die Menschen, die in den Krankenhäusern und in der Pflege tätig sind.

Und es geht um die Patienten. Mein Enkel macht gerade sein FSJ in einem Altenpflegeheim.

Er macht mir deutlich, dass die Alten- und Pflegebedürftigen keine Nummer und/oder Kostenfaktor sein dürfen.

Die Menschen, die auf Pflege angewiesen sind, haben einen Anspruch auf Menschenrecht.

In der Tarifrunde geht auch darum, dass die Pflege- und Sozialberufe eine Aufwertung erfahren.

Eine Krankenschwester mit einem Monatslohn von etwa 2.500 Euro, liegt, wenn sie 2030 in Rente geht, mit ihrer Rente nur knapp über der Grundsicherung.

Beispiel Wohnungsbau:
Wohnraumknappheit und steigende Mieten haben bedenkliche Maße angenommen.

In den Großstädten geben viele Menschen über 50 Prozent ihres Einkommens für die Miete aus.

In den Ballungsräumen ist erschwinglicher Wohnraum für finanzschwache Personen und Familien kaum vorhanden.

Über 3.000 Menschen in Baden-Württemberg befinden sich derzeit in einer prekären Unterkunftssituation. Das hat gestern die Liga der freien Wohlfahrtspflege vermeldet.

Wohnen wird zu einem Luxusgut.
Das birgt einen immensen Sprengstoff in sich.

Hier bedarf es eines politischen Umdenkens: Wir müssen in den sozialen Wohnungsbau investieren. Es muss mehr bezahlbarer Wohnraum entstehen.

Nur so kann eine weitere Spaltung der Gesellschaft verhindert werden.

Beispiel Infrastrukturmaßnahmen:
Unsere Straßen und Brücken sind marode, der öffentliche Nahverkehr ist geschwächt, viele öffentliche Gebäude müssen dringend saniert werden.

Beispiel Ausbau Breitband:
Wir reden über autonomes Fahren.

Doch wie oft bricht die Mobilverbindung ab?

Liebe Kollegen/Innen, sehr geehrte Gäste,

wir müssen die gute wirtschaftliche Lage nutzen, um diese Defizite zu beheben.

Wir müssen sie nutzen, um in unsere Zukunft und die Zukunft unserer Kinder zu investieren.

Dringende Zukunftsinvestitionen sind aber nicht nur im Wohnungsbau und der Infrastruktur notwendig.

Bei der Bildung sind sie seit langem überfällig und das auf jeder Ebene.

Es bedarf eines umfassenden Sanierungs- und Modernisierungsprogramms des Bundes für die Schulen. Damit die Länder entlastet werden.

Zugleich müssen die Länder verpflichtet werden, die freiwerdenden Mittel für eine qualitative Verbesserung der Schulen einzusetzen.

Hier muss einiges getan werden für:
Die vorschulische Bildung
Den Ausbau der Kita-Plätze
Die Ganztagesschulen
Die Ausstattung der Berufsschulen.
Doch davon sind wir in Baden-Württemberg weit entfernt.
Bei uns herrscht Lehrermangel und das wird unter der grün-schwarzen Landesregierung auch so bleiben.

Von den versprochenen 1350 neuen Stellen sind tatsächlich nur 103 neu.
Die ausufernde Befristungspraxis bei Lehrkräften ändert sich nicht.

Damit sind Unterrichtsausfälle, Kürzungen beim Pflichtunterricht und die Streichung von Förderangeboten programmiert.
Und das geht vor allem zu Lasten der SchülerInnen aus bildungsfernen Gesellschaftsschichten.

Um sicher zu stellen, dass kein junger Mensch auf der Strecke bleibt, brauchen wir mehr LehrerInnen und zusätzliches pädagogisches Personal.

Nach wie vor hängen die Bildungschancen in Deutschland vom Geldbeutel der Eltern ab.

Unser Schulsystem ist nur auf dem Papier durchlässig.

Wenn es nicht gelingt, bei der Bildung mehr Chancengleichheit zu schaffen, geht ein riesiges Potenzial verloren.

Zum Thema Bildung gehört für uns GewerkschafterInnen aber auch der Rechtsanspruch auf Weiterbildung und Qualifizierung.

Und natürlich brauchen wir eine bessere technische Ausstattung der Schulen, um den Nachwuchs auf die neue Arbeitswelt vorzubereiten.

Mit der Digitalisierung, der Elektromobilität und der Energiewende kommen massive Veränderungen auf uns zu.

Darauf müssen wir als GewerkschafterInnen ebenso rasch und entschlossen reagieren wie die Politik.

Wir als GewerkschafterInnen sind bereit den Wandel zu gestalten. Wie wir uns schon oft unserer Verantwortung bewusst gewesen sind.

Ich erinnere nur an die Schmuck- und Uhrenkrise Anfang der 70 und der 90er Jahre in Pforzheim.
Da waren es die GewerkschafterInnen der IG Metall, die auf Strukturänderungen drängten.
Bei den UnternehmerInnen fanden sie kein Gehör.

Die Folgen dieser Ignoranz sind bekannt:

Zahlreiche Betriebe gingen Insolvenz, mussten schließen. Auf der Strecke blieben die Beschäftigten. Die Arbeitslosenzahlen stiegen auf zweistellige Prozentwerte.

Pforzheim hat immer noch unter diesen Auswirkungen zu leiden. Obwohl in den letzten 5 Jahren sich einiges bewegt hat.
So hat Pforzheim den höchsten Rückgang bei den Arbeitslosenzahlen.
Die Langzeitarbeitslosigkeit konnte um ein Drittel und die Jugendarbeitslosigkeit halbiert werden.

Und wenn der abgewählte OB Hager nicht 80% von dem verzockten Geld seiner Vorgängerin nicht zurückgeholt hätte, würde es um die Stadt schlecht gestellt sein.

Sehr geehrter Herr OB Boch, jetzt gilt es, die positiven Entwicklungen fortzusetzen.

Wenn es darum geht, Pforzheim für die Zukunft zu rüsten, haben Sie uns vom DGB und seinen Mitgliedsgewerkschaften als einen konstruktiven Begleiter an Ihrer Seite.

Wir nehmen die Herausforderung an, verlässliche Brücken für die Arbeitswelt von morgen zu bauen.

Dabei geht es um nichts weniger als um bewährte Schutzstandards für die Beschäftigten.

Sie dürfen auf keinen Fall in Frage gestellt werden. Sie müssen im Interesse von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern modernisiert werden.

Nur so können wir sicherstellen, dass wir auch in Zukunft gerecht und selbstbestimmt leben und unter fairen Bedingungen zu arbeiten.

Wir brauchen eine Politik, die den Mensch in den Mittelpunkt stellt.

Uns geht es um Gesundheitsschutz, Datenschutz und neue Beschäftigungsformen.

Ein Schlüsselfaktor bei der Gestaltung der „neuen Arbeitswelt" ist die Arbeitszeit.
Was passiert mit den Beschäftigten, wenn sie immer und überall erreichbar sein müssen?
Wie sieht die Arbeitszeitgestaltung an Wochenenden, abends und nachts aus?

Es ist nicht familienfreundlich, wenn Mutti oder Vati in ihrer freien Zeit noch auf Kundenwünsche und Forderungen ihres Arbeitsgebers reagieren müssen.

Flexibilisierung der Arbeitszeit heißt die gern benutzte Formel. Doch bisher geht die geforderte Flexibilität nur auf Kosten der ArbeitnehmerInnen.

Flexibilität darf aber keine Einbahnstraße sein.

Flexible Arbeitszeitmodelle müssen an die Bedürfnisse und Lebenslagen der arbeitenden Menschen angepasst werden.

Nicht umsonst hat die IG Metall die Arbeitszeit zum zentralen Thema ihrer aktuellen Tarifrunde gemacht.

Der Rechtsanspruch auf befristete Teilzeit, das Rückkehrrecht in Vollzeitbeschäftigung, der Anspruch auf Aufstockung der Arbeitszeit sind berechtigte Anliegen der Beschäftigten, die dringend geregelt werden müssen.

Und wir müssen die Mitbestimmungsrechte der Betriebs- und Personalräte stärken.

Noch einen Satz zum Braunkohleausstieg.
Natürlich ist es aus ökologischen Gründen richtig, den Braunkohleausstieg zu forcieren.

Doch was passiert mit den 20.000 Kumpels? Solange das nicht geklärt ist, können wir einen Braunkohleausstieg nicht unterstützen.
Liebe KollegenInnen, sehr geehrte Damen und Herren,

Was gibt es zur aktuellen, politischen Situation anzumerken?
Die Sondierungsgespräche werden ja heute Abend abgeschlossen sein. Dann wissen wir konkret, wie es weitergeht.

Trotzdem lässt sich Grundsätzliches sagen:

Im Gegensatz zu unserem Landesvater Winfried Kretschmann bin ich nicht unglücklich, dass Jamaika gescheitert ist.

Die Belange der ArbeitnehmerInnen wären auf dem Weg nach Jamaika untergegangen.

Haben die Themen Rente, gesetzliche Krankenversicherung, Altersarmut eine Rolle gespielt? Nein!

Das einzige, was hörbar diskutiert worden ist, ist eine 40-prozentige Obergrenze für Sozialversicherungsbeiträge.

Das ist die klare Handschrift der Wirtschaftsflügel der CDU/CSU und FDP.
Ebenso wie die Diskussion um das Arbeitszeitgesetz und die Dokumentationspflicht beim Mindestlohn. (Schwarzarbeitsverhinderungsgesetz)

Das sind genügend Gründe, warum wir vom DGB froh sind, dass Jamaika geplatzt ist.

Doch was kommt jetzt?

Aus meiner Sicht, bietet die derzeitige Situation eine große Chance für uns.

Warum?
An der SPD führt im Moment kein Weg vorbei.

Das macht sie stark. Jetzt kann sie ihr sozialpolitisches Profil schärfen und damit auch unsere Themen platzieren.

Auch wenn zugegebener Maßen die SPD wieder in einer schwierigen Situation ist.

Es ist perfide, wie von allen Seiten an die Regierungspflicht der SPD appelliert wird.

Dabei liegt der Ball im Spielfeld von Angela Merkel.

Angela Merkel ist es, die mit ihrer letzten Regierung gescheitert ist.

Angela Merkel ist es, der es bis heute nicht gelungen ist, eine regierungsfähige Mehrheit zu schaffen.

Angela Merkel ist es, die mit ihrer Aussitzpolitik diesen Scherbenhaufen angerichtet hat.
Richtig wäre also, über Merkel zu diskutieren.

Stattdessen fokussiert sich alles auf die SPD.

Ihr wird schon jetzt der schwarze Peter zugeschoben, sollten die Sondierungsgespräche scheitern.

Bei den ganzen politischen Scharmützeln geht verloren, worum es wirklich geht.

Es geht um einen politischen Kurswechsel.

Es geht um eine neue Definition von sozialer Gerechtigkeit.
(Am Montag wurden in BW 30 Vesperkirchen eröffnet, steigende Zahl von älteren Menschen)

Es geht um eine gerechtere Gesellschaft, in der Gewinne nicht privatisiert und Verluste sozialisiert werden.

Ich denke nur an den betrügerischen Bankrott von Schlecker und die Insolvenzverschleppung des Küchenherstellers Alno.

Genau dafür - für mehr Gerechtigkeit - ist Martin Schulz im Bundestagswahlkampf angetreten.
Und genau dafür sollte sich die SPD jetzt auch in den Sondierungsgesprächen einsetzen.

Dann kann sie Profil zeigen und Vertrauen zurückgewinnen.

Ich sage an die Adresse der SPD, lieber nicht regieren, als gegen die Menschen in diesem Land.

Und für die SPD muss das gleiche gelten, was Herr Lindner von der FDP für sich in Anspruch genommen hat:

Lieber nicht regieren, als falsch regieren. Aus Verantwortung für das Land.

Wir vom DGB werden die künftige Bundesregierung daran messen, ob sie die Themen der ArbeitnehmerInnen aufgreift.

Wir werden sie daran messen:

Ob sie die paritätische Finanzierung in der gesetzlichen Krankenversicherung wieder herstellt wird.

Ob sie die Zweiklassenmedizin durch die Einführung einer Bürgerversicherung abschafft.

Ob sie die Arbeit der Zukunft so gestaltet, dass sie allen ein gutes Leben ermöglicht - durch ordentliche Löhne, gesicherte Arbeitsbedingungen, gestärkte Mitbestimmungsrechte.

Ob sie dem weiterhin sinkenden Rentenniveau Einhalt gebietet, indem sie das Rentenniveau auf heute 48 Prozent einfriert und mittelfristig auf 50 Prozent erhöht.

Nur zur Erinnerung:
2000 hat das Rentenniveau bei 53 Prozent gelegen.

Es war eine der größten sozialpolitischen Fehlleistungen, das sinkende Rentenniveau mit einer privaten Rentenversicherung ausgleichen zu wollen.

Die Menschen, die in eine private Rentenversicherung einzahlen können, wissen nicht, ob das, was am Ende rauskommt für ein gutes Rentnerleben reicht oder ob ihnen Altersarmut droht.

Diejenigen, die sich gar keine private Rentenversicherung leisten können, marschieren direkt in die Altersarmut. Dabei sprechen wir von den sieben Millionen Menschen, die derzeit im Niedriglohnsektor beschäftigt sind.

Und wir sprechen von Frauen. Während die Rente für Männer durchschnittlich bei knapp 1.200 Euro liegt, liegt der Durchschnitt bei den Frauen bei 670 Euro. Das ist unter der Grundsicherung.

Gewonnen hat die Versicherungswirtschaft.

Die Einnahmen in der gesetzlichen Sozialversicherung wurden dagegen geschwächt.

Wir müssen die Rente wieder auf ein tragfähiges Fundament stellen, und das ist das gesetzliche Rentensystem.

Die Rente hat zwei Weltkriege überstanden und die
Deutsche Einheit. Sie war verlässlich. Es lohnt sich, sich für sie stark zu machen.

Die Rentenversicherung hält unsere Gesellschaft zusammen.

Deshalb sollten die PolitikerInnen endlich den Mut zu haben, unser Sozialsystem dahingehend zu reformieren, dass alle BürgerInnen in die gesetzliche Rentenversicherung einbezahlen.
Das ist gelebte Solidarität.

Und zum Schluss noch eines.

Seit 1949 ist zum ersten Mal wieder eine rechtsnationale Partei in den Bundestag eingezogen.

Das dürfen wir nicht als Normalität ansehen.

Ich finde es überhaupt nicht normal, dass WählerInnen glauben, ihren Protest nur noch durch eine solche Wahl ausdrücken zu können.

Damit müssen wir alle uns auseinandersetzen - auch wir GewerkschafterInnen.

Denn auch in unseren Reihen gibt es AfD-WählerInnen.

Das bereitet uns Sorgen.
Vor allem aber müssen wir alle aufpassen, dass das derzeitige politische Vakuum die AfD nicht noch weiter stärkt. Sie ist und bleibt eine Schande.

Das hat sich gerade in den vergangenen Tagen wieder deutlich gezeigt - mit den unsäglichen Äußerungen von Frau Weigel, von Frau von Storch und von Herr Maier.

Diese Äußerungen dürfen nicht widerspruchslos von Demokraten hingenommen werden.

Sie spalten die Gesellschaft und schaden dem Ansehen Deutschlands in der Welt.

Wir müssen Flagge zeigen. Das gilt auch für den 23. Februar.

Ich kenne die Diskussionen in Pforzheim zur Genüge, wie man mit diesem Tag umgehen soll.
Ich sage, man muss das eine tun, und darf das andere nicht lassen.

Es steht für mich außer Frage, dass wir der Toten gedenken.

Für mich steht ebenfalls außer Frage, dass die Bombardierung Pforzheims durch die Alliierten nicht zu rechtfertigen war. Über 17.000 Menschen verloren ihr Leben.

Diese Toten mahnen uns.
Sie mahnen uns, dass sich in unserem Land, keine Hetze, kein Hass breitmachen darf.
Sie mahnen uns aber auch, nicht die Augen vor der Wahrheit zu verschließen.
Die Wahrheit ist, dass das Schicksal des 23. Februars mit der Machtergreifung Hitlers am 30. Januar 1933 seinen Anfang genommen hat.

Insofern hat dieser Gedenktag immer auch eine politische Dimension.

Deshalb gedenke und demonstriere ich am 23. Februar. Der Satz von Dietrich Bonhoeffer bestärkt mich darin:

Die Ehrfurcht vor der Vergangenheit und die Verantwortung gegenüber der Zukunft, geben fürs Leben die richtige Haltung.

Wir als DemokratenInnen sind gefordert, wenn es darum geht, unsere freiheitliche Gesellschaftsordnung zu verteidigen.
In unserem Land können die Menschen sicher und friedlich leben, unabhängig von ihrer Hautfarbe, ihrer Religion und ihrer sexuellen Neigung.

Dass das so bleibt und rechtpopulistische Parolen, nicht noch größeren Raum bekommen, dafür müssen wir uns täglich einsetzen. Im Betrieb, in der Schule und in der Familie.
Auf uns kommt es an, wohin sich unsere Gesellschaft entwickelt.
Brasilianische und kubanische Musik kam von Lu Thome (git)und Marianne (voc)

(Texte der Reden leicht gekürzt)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

12.01.2018

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